Wirksamkeit der bautechnischen Prüfung

Das "Vieraugenprinzip" im Prozess der Bauvorbereitung (Planen - Prüfen) hat sich seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Spektakuläre Einstürze von Bauwerken, wie man sie oft aus Ländern ohne ausgeprägtes Prüfsystem hört, konnten weitgehendst vermieden werden.


Der Prüfingenieur bzw. die Prüfingenieurin sind erfahrene Fachleute des Bauwesens, die sich aus eigener planerischer Tätigkeit und aus dem Prüfprozess umfangreiche Kenntnisse angeeignet haben. Gemäß Bauprüfverordnung (BauPrüfVO) erfolgt die Berufung zum Prüfingenieur bzw. zur Prüfingenieurin nach einem strengen Auswahlprinzip.
Zu den Auswahlkriterien gehören u.a.:


- Mindestalter 35 Jahre / Höchstalter 68 Jahre
- mindestens zehn Jahre lang Anfertigung und Prüfung von Standsicherheitsnachweisen und technische Bauleitung von Ingenieurbauten
- Ablegung einer mündlichen Prüfung auf hohem Niveau
- wirtschaftliche Unabhängigkeit, insbesondere von Unternehmen der Bauwirtschaft.


In der Regel sind es nur 10 bis 20 % der Antragsteller, die den hohen Anforderungen an die Zulassung als Prüfingenieur bzw. Prüfingenieurin gerecht werden. Damit ist die Gewähr gegeben, dass die vom bauvorlagenberechtigten Ingenieur erarbeiteten Unterlagen der Tragwerksplanung im Bauwesen von fachlich hochqualifizierten Ingenieuren geprüft und für die Bauausführung freigegeben werden. Gleichzeitig überwacht der Prüfingenieur kritisch die planungs- und normgemäße Ausführung auf der Baustelle.


Dieses bewährte Prinzip wird immer wieder von einflussreichen Kreisen aus Politik und Wirtschaft angezweifelt mit der Begründung:


- Der Prüfprozess verlängert die Zeit für die Bauvorbereitung, und die Baugenehmigung wird unnötig bürokratisiert - Die Prüfgebühren verteuern unnötig die Baumaßnahmen - Ein vorlageberechtigter Ingenieur muss in der Lage sein, ohne zusätzliche Prüfung fehlerfreie Unterlagen für die Bauausführung zu erarbeiten.


Die immer wieder neu angeregte Diskussion zum "Vier-Augen-Prinzip" war für die Prüfingenieure des Landes Brandenburg vor einigen Jahren Anlass, im Rahmen einer statistischen Untersuchung die Leistungen des Prüfingenieurs zu analysieren und Fakten für die Bedeutung des Prüfprozesses bei der Verhinderung von Bauschäden zu schaffen. Es kam den Verfassern darauf an, herauszuarbeiten, wo in der Tragwerksplanung und Bauausführung die meisten Fehler auftreten und zu ermitteln, welcher Schaden entstanden wäre, wenn man auf das Prüfen verzichtet hätte.


Die Untersuchung erfolgte getrennt für die Bauwerksklassen II und III sowie IV und V. Für die statistische Untersuchung wurde den Prüfingenieuren ein Zeitraum von 6 Monaten vorgegeben. Erfasst wurden die Prüfobjekte, die in diesem Zeitraum mit der Bauabnahme abgeschlossen wurden, auch wenn die Beauftragung und die Bearbeitung teilweise vor diesem Zeitraum erfolgte.


Die Ergebnisse sind in den Bildern 1 a - c ausgewertet. 

Bild 1 a

Bild 1 a zeigt die Fehlerhäufigkeit in ,,%,, bei der Prüfung von bautechnischen Unterlagen. Die Fehler häufen sich in der Bauwerksklasse II bei Lastannahmen (20,1 % der eingereichten Objekte), bei der Festlegung des statischen Systems (15,6%), bei der Bemessung (19%) und den konstruktiven Details (15 %).

Bild 1 b

Die im Bild 1 b dargestellten Fehler bei der Bauüberwachung häufen sich bei Bewehrungsabnahmen (9,5 %), Querschnittsabmessungen (10,1 %) und Verbindungen
(12,7 %) - bezogen auf die Anzahl der geprüften Bauvorhaben.

Bild 1 c

Bild 1 c zeigt die durch den Prüfprozess verhinderten Schadensfolgen. Obwohl von Architekten, Bauingenieuren und auch Bauherren behauptet wird, dass bei solchen einfachen Bauwerken, wie beispielsweise Eigenheimen, das Prüfen nicht notwendig sei, zeigt die statistische Auswertung, dass bei 2,7 % der geprüften Objekte Einsturzgefahr bestanden hätte und bei 16,2 % erhebliche Schäden mit örtlicher Auswirkung entstanden wären.


Um eine finanzielle Größenordnung des verhinderten Schadens zu erhalten, wurde der Rohbauwert der Gebäude zugrundegelegt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass im Fall a 40 % des geschädigten Gebäudes erneuert werden muss, dass im Fall b 20 % auszubessern ist und dass im Fall c eine 5 %-ige Gebäudesanierung erforderlich ist.